Litauen - kurz und bündig

Welches Land ist Litauen?

Essen und Trinken, Alltag und Folklore

Von Catherina Hofmann

Ich kam im Sommer 2006 nach Litauen und blieb ein Jahr mit Hilfe des Erasmus-Programms als Studentin der Politikwissenschaft in Vilnius. Gleich am ersten Tag wurden wir von unserem Mentor Rokas in die Vorzüge der litauischen Küche eingeweiht, und man gewann dabei den Eindruck, dass den Litauern ihre Küche sehr wichtig ist. Natürlich meinte er, sollen wir das vermeintliche Nationalgericht, nämlich Cepelinai, bestellen. Cepelinai sind Kartoffelteig-Knödel in Zeppelinform mit Füllung. Es gibt sie in den verschiedensten Variationen gekocht, gebacken, mit Buttersoße, mit Oberssoße, Oberssoße mit Speck, Pilzen etc. An Cepelinai kommt man in Litauen einfach nicht vorbei, aber es gibt noch weit mehr zu entdecken.

Die Küche Litauens ist eine sehr ursprüngliche, und die meisten Rezepte und Zutaten spiegeln das bäuerliche Leben wider. Es wurde Jahrhunderte das verarbeitet, was die jeweiligen Regionen hergaben. Somit ist in Klaipėda, das an der Ostseeküste liegt, Fisch etwas dominierender als in Druskininkai, wo es allerdings dafür aufgrund der Wälder viele Pilze gibt. Grundsätzlich sind Getreideprodukte, Milchprodukte und Schweinefleisch die Grundlage der meisten Gerichte, aber auch Gemüse wie Kartoffeln, Rote Rüben, Kraut und Pilze findet man in sehr vielen Speisen.

Ich hatte in meinem Reiseführer gelesen, dass Litauen das Land mit den meisten Privatbrauereien der Welt ist, und ich wurde nicht enttäuscht, da Bier einen sehr hohen Stellenwert hat und man in Litauen eine große Auswahl an ausgezeichneten Bieren findet. Die größte Brauereigruppe Švyturys-Utenos alus gehört allerdings mittlerweile, wie das ja auch in Österreich bei der Brau Union und bei Heineken der Fall ist, teilweise zu Carlsberg. Auffallend fand ich auch, dass man in allen Lokalen und auch in den Supermärkten eine unglaublich große Zahl an Fruchtsäften findet, die zum Teil auch sehr exotisch anmuten, wie zum Beispiel Kiwi-Saft, und nicht nur die üblichen wie in Österreich.

Aber nicht nur die Küche Litauens an sich hat mich überrascht, sondern auch das Angebot an Lebensmitteln und wo man ebendiese bekommen kann. Als ich nach Litauen kam, gab es schon ein paar riesig konzipierte Supermärkte in Vilnius, und wahrscheinlich werden es heute noch mehr sein. In diesen Supermärkten konnte man alles, von der Waschmaschine bis zu lebendem Fisch, kaufen. Ich habe es schon als Kind in Österreich geliebt, mir bei Süßwarenständen ein Schäufelchen der verschiedensten Bonbons zu nehmen, also war ich in Litauen im Paradies, denn es gab nicht nur die verschiedensten Nüsse und Trockenfrüchte auf diese Weise zu kaufen, sondern auch Schokolade, Konfekt und Bonbons. Erstaunlich war allerdings für mich, dass Tomaten zu manchen Zeiten absolute Mangelware waren, da ich es gar nicht mehr gewöhnt war, dass Dinge aus dem Sortiment eines Supermarktes einfach ausgingen und man dann wieder ein paar Tage darauf warten musste.

Eine weitere Litauische Besonderheit, die mir sehr ans Herz gewachsen ist, war die Möglichkeit, unter anderem auf der Landstraße nach Druskininkai überall am Straßenrand Obst und Gemüse der Saison erstehen zu können. Zumeist alte Frauen boten beispielsweise gesammelte Pilze oder Apfel und Birnen aus ihren Gärten an.

Litauische und Österreichische Küche und Essgewohnheiten kann man schwer vergleichen, allerdings haben beide Länder gemein, dass sehr viel Wert auf gutes Essen und Trinken gelegt und es gern zum Anlass für ein geselliges Beisammen sein genommen wird.

Gleich zu Beginn meines Litauen Aufenthaltes hatte ich einen einmonatigen Sprachkurs, allerdings lernten wir nicht nur die Sprache, sondern auch das Land kennen. Einer dieser Ausflüge führte uns in die Wälder der Dzūkija, wo uns die Folkloregruppe einer Gemeinde empfing. Ich hatte eigentlich immer ziemliche Ressentiments gegen Folkloregruppen, weil ich davon ausging, dass sie „Heimatkitsch“ für sämtliche Besucher aufführen, aber ich wurde eines besseren belehrt. Wir fuhren zu einem Bauernhof mitten im Wald, der einem alten Ehepaar gehörte, das Mitglied dieser Folkloregruppe war. Die beiden bereiteten uns einen herzlichen Empfang und waren so stolz darauf, uns ihre Lieder vorzutragen, dass wir das Gefühl hatten, dass sie uns wirklich ihre Welt zeigen wollten. Sie haben uns eingeladen, mit ihnen zu essen, und danach haben sie uns einige ihrer Tänze beigebracht. Nun verstand ich auch, warum die baltischen Lieder- und Tanzfeste in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen worden sind.

Litauen hat außerdem ein außergewöhnliches Kunsthandwerk auf ebendieser UNESCO-Liste stehen: die Kreuzschnitzerei und ihre Symbolik. Wirklich eindrucksvoll wird einem diese Symbolik bewusst am Berg der Kreuze außerhalb von Šiauliai. Auf dem Burgberg wurden seit dem 19. Jahrhundert Kreuze aufgestellt, heute befinden sich dort ca. 50.000 Kreuze in jeglicher erdenklichen Ausführung und Form. Dieser Ort hatte vor allem während der Sowjetzeit eine große Bedeutung für die Litauer, weil sie mit dem Aufstellen der Kreuze und der damit verbundenen Ausübung des Katholizismus einen stillen Ungehorsam gegen das sowjetische Regime praktizierten.

All diese Dinge haben mein Jahr in Litauen zu einer besonderen Erfahrung gemacht. Ich bin gespannt, wann wir anfangen, uns mehr für dieses Land zu interessieren und ich die Frage „Welches der Länder da oben war noch mal Litauen?“ nicht mehr gestellt bekomme.